In dieser Folge spricht Inga Bergen mit Sven Klimpel, der zusammen mit seinem Bruder Tobias Klimpel medicalmotion gegründet hat. Mittlerweile haben die zwei Ingenieure erfolgreich ein CE-zertifiziertes Medizinprodukt auf den Markt gebracht und konnten Krankenversicherungen und Physiotherapeutenverbände für ihre Lösung begeistern.
Tobias und Sven Klimpel haben im Jahr 2017 das Unternehmen gegründet, weil sie selbst 10 Jahre chronische Schmerzpatienten waren. Damals wurde ihnen keine Lösung angeboten, um die Ursachen des Schmerzes zu erkennen und zu beheben. Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Knieschmerzen – Sven Klimpel hatte über 15 Diagnosen, aber keine Antworten auf ihre Fragen. Sven Klimpel und sein Bruder wollten verstehen, wo der Schmerz herkommt, warum er entsteht und wie man ihn beheben kann – die Idee zu medicalmotion war geboren.
medicalmotion bietet eine auf Künstlicher Intelligenz basierende App an, mit der chronische Schmerzpatientinnen und -Patienten Übungen zur Schmerzlinderung machen. Und so gemeinsam mit den behandelnden Therapeuten die Therapie verbessern können.
Die Schmerz-Epedemie
15-25 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen. Der GSK-Pain-Index geht von 25% der Weltbevölkerung aus, die an chronischen Schmerzen leiden. Gerade bei multiplen Schmerzen wird es komplex, da alle Schmerzen miteinander zusammenhängen.
Die klassische Physiotherapie gibt Patientinnen und Patienten Empfehlungen für Bewegungen und Übungen für den IST-Zustand – medicalmotion geht einen Schritt weiter und erhebt täglich die Schmerzsituation und den „Erfolg“ bzw. das „Ergebnis“ dieser Übungen und Bewegungen und empfiehlt auf dieser Basis neue Bewegung. Die Daten werden dokumentiert und dem behandelnden medizinischen Fachpersonal zur Verfügung gestellt. Sicherheit ist hier das Wichtigste, der Qualitätsgedanke war zentral – die erste Grundregel der Physiotherapie ist es, keinen Schaden anzurichten.
Die Ingenieursperspektive sucht nach den Ursachen eines Problems – das passt gut in die Medizin
Die medicalmotion App wurde gemeinsam mit Ärzten und Therapeuten entwickelt. Grundlage war eine wissenschaftliche Arbeit von Tobias Klimpel über die Individualisierung von Bewegungstherapie bei chronischen Schmerzpatienten geschrieben. Schon damals arbeitete er gemeinsam mit Therapeuten und Medizinern an einem Konzept. Gerade die Einbeziehung mehrerer Perspektiven und der Prozess, das Problem strukturiert gemeinsam anzugehen, hilft dabei eine gute Medizin-App zu entwickeln. Ein Ingenieur schaut auf ein Problem anders als ein Arzt – beides zu verbinden ist das Erfolgsgeheimnis von medicalmotion. Als Ingenieur wird man dazu ausgebildet, das Gesamtsystem zu verstehen und die Ursache zu beheben. Im ärztlichen Alltag kommen diese Ursachenanalysen oft zu kurz – der Fokus liegt auf Symptomlinderung. Die Idee von medicalmotion ist eine ursachenorientierte Therapie.
Der Pain-Companion
Medicalmotion funktioniert wie ein digital unterstütze Companion. Der Patientinnen und Patienten im Alltag begleitet und dann Daten zurück fließen lässt zum behandelnden Therapeuten oder zur behandelnden Therapeutin. Die medicalmotion App wird heute nur bei einer Diagnose eingesetzt – und wenn eine Therapie durchgeführt wird. Sven Klimpel spricht hier von Prozesstransparenz und Rückkopplungseffekten, bis hin zu der Sicherheit im Alltag, dass die Therapie fortgeführt werden kann, auch wenn sich Schmerz verändert.
Medicalmotion verbindet Therapeutinnen und Therapeuten mit Patientinnen und Patienten
Ein Pilotprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit ermöglicht Physiotherapeutinnen und -Therapeuten in Berlin und Brandenburg, die App bei ihren Patientinnen und Patienten einzusetzen. Sven Klimpel sagt, dass dieses Angebot sehr gut angenommen wird. Auch weil es den Therapeuten ermöglicht, Feedback zu bekommen, wie eine Therapie anschlägt. Zudem funktioniert die App auch wie ein „Standartisierungstool“, weil sie Übergaben von einem Therapeuten zum nächsten einfach macht. Die Grundidee ist, alle Beteiligten der Patient Journey mit Mehrwert zu versorgen. Heute kann medicalmotion schon messen, dass Nutzerinnen und Nutzer aus dem chronischen Schmerzgeschehen rauskommen, und dass sich Krankheitstage reduzieren.
Digitale Gesundheitsassistenten müssen so einfach anzuwenden sein, wie das Schlucken einer Tablette
Heute nutzen 80% der Patientinnen und Patienten die medicalmotion App mehrere Monate lang mehrmals in der Woche, wenn sie einmal angefangen haben. Die Adhärenz ist der kritische Faktor. Im Alltag muss die Anwendung einer Companion App ganz einfach sein. Das Ziel von medicalmotion ist es, einen direkten positiven Effekt auf das Schmerzempfinden der Nutzerinnen und Nutzer zu haben. Die Vision von medicalmotion ist es, der Schmerzbegleiter für Patientinnen und Patienten zu werden und Therapeuten zu helfen, eine bessere, individualisierte Therapie anzubieten. Auch die Daten, die medicalmotion erhebt, sind wichtig für die Verbesserung der Therapie. Sven Klimpel sagt, dass es in der Zukunft viel mehr Möglichkeiten geben wird, Schmerzen auch zu vermeiden – Präventivmedizin einzusetzen. Dieser Weg ist auch für medicalmotion interessant.
Das medicalmotion Dashbord: wie vielen Menschen haben wir diesen Monat geholfen?
Heute nutzt das Team von medicalmotion bereits die anonymisierten Daten der Nutzerinnen und Nutzer, um sich zu motivieren. Denn zu verstehen, wie vielen Menschen man helfen konnte, ist der stärkste Motivator.
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