Björn von Siemens – Gründer von caresyntax, dem Autopilot für den Operationssaal

Björn von Siemens

Inga Bergen spricht mit Björn von Siemens. Dieser hat gerade 83 Millionen € Investoren-Gelder mit der großen Vision eingesammelt, die Chirurgie zu digitalisieren und deren Qualität zu vereinheitlichen.  

Seit acht Jahren ist Björn von Siemens auf das Thema der Chirurgie fokussiert. Ein Bereich, in dem es bisher wenig Innovation gibt. Sein Ziel ist, mit datengetriebener Intelligenz die Chirurgie so sicher wie das Fliegen zu machen. Ein hoher Anteil chirurgischer Eingriffe führt nicht zum gewünschten Ergebnis. Das Ergebnis variiert stark und hängt unter anderem vom Team, vom Chirurgen, oder sogar von der Uhrzeit des Tages ab. Caresyntax möchte Teams unterstützen, Operationen sicherer durchzuführen. Die Idee ist ein lernendes System, das Chirurgen, Anästhesisten und alle weiteren Beteiligten im OP befähigt, Spitzenergebnisse zu erzielen. Dabei fokussiert sich caresyntax nicht nur auf den Prozess des Operierens, sondern auch auf die Vor- und Nachbereitung, die Administration. 

Kick-Start durch Unternehmenskäufe: caresyntax entstand auf Basis bestehender Lösungen   

Das System ist so komplex, dass sich Björn von Siemens und sein Mitgründer 2014 entschieden haben, gleich mehrere Unternehmen zu kaufen, die bereits IT-Lösungen und Integrationslösungen für den Operationssaal entwickelt hatten. Auf Basis dieser Zukäufe haben sie caresyntax gegründet, und dann eine IT-Plattform entwickelt. Von Anfang an war das Ziel, die Daten im OP zusammen zu führen. Außerdem arbeitet caresyntax mit Partnern aus der Robotik und physischen Bereichen, zusammen. Ziel ist, eine einheitliche Qualität in der Chirurgie sicher zu stellen. In einem klassischen OP-Saal kommen verschiedene Systeme von unterschiedlichen Herstellern, die nicht miteinander verbunden sind. Es gibt Kamerasysteme, bildgebende Systeme, Schneideinstrumente, Anästhesie, Vitalparameter, Beatmung und vieles mehr. 

caresyntax bringt alle Daten der verschiedenen Anbieter zusammen, um auch daraus lernen zu können. Inga Bergen spricht an, dass hier ein neues Geschäftsfeld entsteht, beidem auf Basis von Daten zahlreiche neue Angebote für den Operationssaal entwickelt werden können. Aus Sicht von Björn von Siemens wird es dennoch Raum für verschiedene Anbieter geben, da es insbesondere in den nationalen Märkten starke regulatorische Anforderungen gibt. Es wird mehrere herstellerneutrale offene Plattformen geben. Heute ist caresyntax schon eine modular aufgebaute, interoperable, herstellerneutrale Plattform, die trotzdem sicher sein muss. Datensicherheit und Datenschutz sind besonders wichtig, aber auch große Herausforderungen. 

Vorbild Luftfahrt: Operateure der Zukunft greifen nur im Notfall ein

Inga Bergen fragt, ob die Vision eines Cockpits, ähnlich wie in der Luftfahrt, wo alle Routineaufgaben bereits vom Autopiloten übernommen werden, realistisch ist. Die ideale User-Journey ist laut Björn von Siemens voll automatisiert und automatisch. Der Chirurg der Zukunft wird nur noch im Notfall eingreifen, wie es heute schon in der Augenheilkunde der Fall ist. Ein Laser wird programmiert, führt unter Überwachung von Spezialisten dann eigenständig die OP durch. Dies wird zukünftig auch bei komplexeren Operationen der Fall sein. Björn von Siemens sagt aber auch, dass es immer einen Menschen geben wird, der das Prozedere überwacht und die menschliche Komponente übernimmt. Die menschliche Komponente bedeutet Kommunikation mit den Patienten – denn der Erfolg einer OP ist auch davon abhängig, wie sich ein Mensch davor und danach fühlt und verhält.

Ein Thema ist auch Haftung – heute ist caresyntax nicht haftbar, Björn von Siemens geht aber davon aus, zukünftig für Algorithmen haften zu müssen. Schon heute arbeitet das Unternehmen mit Versicherungen zusammen, die Chirurgen versichern. Inga Bergen stellt die These auf, dass wenn viele Prozesse automatisiert, dass die zwischenmenschliche Komponente der Arzt-Patienten-Beziehung eine neue Wertigkeit erhält. Durch die Einführung der elektronischen Patientenakte ist der administrative Aufwand für Kliniker gestiegen – sagt Björn von Siemens – dem möchte er entgegentreten.  

Die Corona-Pandemie beschert caresyntax mehr Aufträge und Kunden 

Björn von Siemens sieht neben allen negativen Effekten und Auswirkungen der Corona-Pandemie auch einen positiven Effekt: sie zeigt die Unterdigitalisierung des Gesundheitssystems weltweit. Seit der Krise setzen Krankenhäuser verstärkt auf Digitales & das Interesse an caresyntax steigt. Zielmärkte sind Europa und die USA. Caresyntax arbeitet präferiert mit Vordenkern in Kliniken. Gemeinsam mit Versicherern arbeiten sie zudem an Lösungen für Vergütung und finanzielle Anreize für die Nutzung von caresyntax. Das System lässt sich schnell refinanzieren, weil die Nutzung nachweislich Zeit spart. Die Qualitätssteigerung durch den Einsatz von caresyntax nachzuweisen ist schwieriger – es kann aber schon gezeigt werden, dass Risiken, z.B. an einer OP zu versterben, minimiert werden können. Der Vorteil von Software und Daten ist auch, dass es sich leicht skalieren lässt. Das System ermöglicht auch Vergleichbarkeit, z.B. von OP-Teams und kann zeigen, wenn OP-Teams Unterstützung brauchen, um bessere Ergebnisse zu erzielen. 

Strategie der Zukäufe & Konsolidierung & Zusammenführung 

Caresyntax kauft weiterhin Start-ups und etablierte Unternehmen, um die Idee der Plattform weiter auszubauen. Denn Kunden wünschen sich eine herstellerneutrale Plattform & eine Lösung aus einer Hand. Björn von Siemens sagt, dass er große Teile seiner Ausbildung in den USA genossen hat und dort ein Unternehmer-Mindset erlebt hat, den er in die DNA von caresyntax übernommen. Mittlerweile ist caresyntax auch ein US-amerikanisches Unternehmen mit Hauptsitz in San Francisco, auch weil dort der Kapitalmarkt attraktiver ist. Er sieht sich als transatlantischer Brückenbauer. Auch Asien ist für ihn ein interessanter Markt – weil Deutschland recht konservativ & Risikoavers ist – dies stellt Gründer oft vor Herausforderungen.

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