Episode 7 | Prof. Dr. med. Sylvia Thun über datengetriebene Forschung und Medizininformatik

Inga Bergen interviewt Prof. Dr. Sylvia Thun (BIH) – Sie forscht mit Daten für bessere und individuellere Medizin an der Charité.

Prof. Dr. Sylvia Thun

Sylvia Thun ist Direktorin für eHealth und Interoperabilitität am Berliner Institut für Gesundheitsforschung, dem Berlin Institute of Health (BIH) . Zudem ist sie Professorin für Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen an der Hochschule Niederrhein und Gastprofessorin an der Charité.

Die promovierte Ärztin und Diplomingenieurin beschäftigt sich mit dem großen Thema Digitalisierung. Digitalisierung durchdringt seit mehr als 20 Jahren unser Gesundheitssystem. Zum Beispiel mit radiologischen oder pathologischen Bildern, die zur gemeinsamen Befundung gespeichert werden. Heute ist die Herausforderung einerseits, die vorhanden Daten zugänglich zu machen, um medizinische Versorgung zu verbessern. Andereseits, das generierte Wissen zu denen zu bringen, die es brauchen – zu Ärzten, medizinischem Personal und den Patienten.

Forschungsdaten für besser Medizin

Das Berlin Institut of Health (BIH) der Stiftung Charité nutzt Daten um Forschung zu unterstützen, vorrangig in den Bereichen Zellwissenschaften und Genomik. Als Teil der Charité steht ihnen dafür eine Vielzahl an unterschiedlichen Daten zur Verfügung. Diese liegen oftmals nicht strukturiert und einheitlich vor, wie Sylvia ab Minute 4:40 erzählt. Sie erklärt, wie diese Daten generierte und genutzt werden, um neue Erkenntnisse für die medizinische Forschung zu gewinnen. 

Aus den Erkenntnissen entstehen reale und anwendbare Lösungen. Zwei Lösungen stellt sie ab Minute 7:20 vor. Zum einen den AKI Alert, ein Alarmsystem für Niereninsuffizienz. Das System anaylsiert automatisch Labordaten mit einem speziellen Algoritmus. So bekommt das medizinische Personal ohne Mehraufwand Information über bestehende Risiken für eine Niereninsuffizienz bei seinen Patienten. Die zweite Lösung ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert Projekt InfectControl 2020. Das BIH kann mit seinem Ansatz Ausbrüche von Infektionen an der Charité sowie in anderen Berliner Krankenhäusern frühzeitig den Ärzten melden. Damit können diese rechtzeitig eingreifen und behandeln und eine weitere Ausbreitung der Infektion verhindern.

Weniger Herzinfarkte und bessere Erforschung seltener Krankheiten 

Der Zugang zu Daten verändert nicht nur den klinischen Alltag sondern auch die Art und Weise, wie wir Studien durchführen. Beispielweise nutzt das BIH Echtzeitdaten, um Herzinfarkte Stunden vor dem Ereignis vorherzusagen. Zur Zeit wird eine Studie mit Patienten auf der Intensivstation dürchgeführt. Welche anderen prominenten Beispiele es heute schon gibt, hört ihr ab Minute 14:40.

Einen weitereren Vorteil von Datenbankensystemen erklärt Sylvia ab Minute 18:45. Er bezieht sich auf die heutige ICD-10 Klassifikation, die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Wir alle kennen sie vom Arbeitsunfähigkeits-Schein oder von Überweisungen. Die ICD-10 Einteilung ist sehr grob, was gerade bei seltenen Erkrankungen ein Problem ist. Von den ca. 8500 bekannten seltenen Erkrankungen bildet das ICD-10 nur 300 ab. Die anderen Erkrankungen werden weder statistisch noch für die Abrechnung erfasst, was weitere Forschung zu diesen Erkrankungen äußerst schwierig macht.

Kreatinin oder Creatinin

Deutschland ist nicht gut aufgestellt beim Thema Datenanalyse und das liegt nicht nur am komplexen Datenschutz. Ein großer Stolperstein ist ein fehlender IT Standard. Damit ist keine komplexe Programmiersprache gemeint, sondern die einfache Anwendung der genutzten Programme. Jeder Arzt nutz diese auf seine eigene Weise, dabei werden Informationen häufig in Freitextfeldern gespeichert. Diese sind für Datensysteme schwer lesbar und damit verloren. Programme, die diese Texte analysieren und ihnen Informationen entlocken sollen, stoßen auf Grund von unterschiedlichen Schreibweisen und Abkürzungen an ihre Grenzen, wie Inga und Sylvia ab Minute 24:10 thematisieren. 

Zukunftsfach Medizininformatik

Zum Abschluss des Interviews gibt Sylvia ab Minute 28:00 einen Einblick in den Studiengang Medizininformatik. Dabei erklärt sie die inhaltlichen Module und welche herausragenden Arbeitsmarktchancen sich durch das Studium bieten. Letzlich gibt sie noch eine Ausblick, wie sich das Studium der Humanmedizin durch Technologie und Digitalsierung ebenfalls verändern wird.

Viel Spaß beim Hören der Episode 7, entweder direkt hier oder bei allen gängigen Podcast Anbietern. Zusätzlich findest du alle weiteren Episoden hier.

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Eine Antwort zu „Episode 7 | Prof. Dr. med. Sylvia Thun über datengetriebene Forschung und Medizininformatik“

  1. […] vielen verschiedenen Bereichen und Einrichtungen geforscht – bis er sich 2015 entschied, das Berlin Institut of Health der Charité zu leiten und anschließend ans HPI wechselte. Das HPI ist zum größten Teil privat […]


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