Wohnzimmer statt Wartezimmer: Marek Rydzewski über die digitale Transformation der Barmer und die Zukunft der Gesundheitsversorgung

Marek Rydzewski, Chief Digital Officer bei der BARMER

Marek Rydzewski ist der Chief Digital Officer (CDO) der Barmer, einer der größten gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland mit etwa neun Millionen Versicherten. Vor seiner Tätigkeit bei der Barmer war er bei der AOK Nordost tätig und wechselte dann zur Barmer, um die Digitalisierung der Krankenkasse voranzutreiben. Unter seiner Führung hat sich die Barmer in den letzten Jahren von einer eher konservativen Krankenkasse zu einem Vorreiter im Bereich der digitalen Gesundheitsversorgung entwickelt.

Digitalisierung bei der Barmer

Marek betont, dass die Digitalisierung bei der Barmer nicht Selbstzweck ist, sondern immer mit einem klaren Mehrwert für die Versicherten verbunden sein muss. Die Barmer hat eine Digitalstrategie mit vier Säulen: erstklassige Services für die Versicherten, interne Prozessoptimierung, Zusammenarbeit mit Start-ups sowie eine Veränderung der Unternehmenskultur. Besonders wichtig ist es ihm, unnötige oder ineffiziente Prozesse nicht einfach zu digitalisieren, sondern die Digitalisierung als Mittel zur Effizienzsteigerung zu nutzen.

Beispiele für digitale Angebote

Die Barmer bietet mittlerweile eine Vielzahl an digitalen Services an, darunter Symptomchecker, Teledermatologie, Telemedizin und Test-Kits zur Darmkrebsfrüherkennung. Diese Angebote ermöglichen es den Versicherten, bequem von zu Hause aus medizinische Unterstützung zu erhalten. Marek hebt besonders die Kooperationen mit Start-ups wie Seven Mind und Oviva hervor, die bereits vor der Einführung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) erfolgreich waren.

Akzeptanz und Herausforderungen

Die digitalen Angebote der Barmer werden von den Versicherten gut angenommen, besonders der Teledoktor und der digitale Hautcheck stoßen auf positive Resonanz. Marek betont jedoch, dass die breite Akzeptanz von Telemedizin und digitalen Gesundheitslösungen in Deutschland noch ausbaufähig ist. Ein wichtiger Schritt sei es, die Versicherten gezielt anzusprechen und ihnen positive Beispiele aufzuzeigen. Zudem ist eine hybride Versorgung – eine Kombination aus digitalen und physischen Angeboten – entscheidend für den Erfolg.

Prävention und Lotsenfunktion

Ein zentrales Thema ist die sogenannte Lotsenfunktion der Barmer, bei der die Krankenkasse eine proaktive Rolle in der Gesundheitsvorsorge einnimmt. Durch gezielte Datennutzung, z.B. im Rahmen des neuen § 25b SGB V, will die Barmer ihre Versicherten frühzeitig auf mögliche Gesundheitsrisiken hinweisen und präventive Maßnahmen anbieten. Marek sieht hier großes Potenzial, warnt jedoch auch vor möglichen Herausforderungen in Bezug auf Datenschutz und Akzeptanz bei den Versicherten.

Prozesse und Regulatorik

Ein wiederkehrendes Thema im Gespräch sind ineffiziente Prozesse, die durch die Digitalisierung sichtbar und verbesserbar werden. Marek kritisiert, dass viele regulatorische Hürden den Fortschritt behindern, und plädiert für ein Umdenken in der Politik. Er betont, dass die Sicherheit im Gesundheitswesen zwar wichtig ist, aber nicht zu einem vollständigen Stillstand führen darf. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sicherheit und Innovationskraft sei entscheidend, um die Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben.

Elektronische Patientenakte (EPA)

Ein weiteres zentrales Thema ist die elektronische Patientenakte (EPA). Marek sieht in der EPA ein großes Potenzial, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, und plädiert dafür, dass die Akzeptanz durch gezielte Aufklärung und positive Nutzererfahrungen gesteigert werden muss. Die Barmer setzt auf eine schrittweise Einführung der EPA, die durch Testzugänge und eine proaktive Kommunikation begleitet wird.

Zukunftsausblick

Marek ist optimistisch, dass die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland weiter voranschreiten wird. Er sieht die Barmer in einer Schlüsselrolle, insbesondere durch ihre Größe und die Möglichkeit, die Versicherten gezielt anzusprechen. Die zukünftige Herausforderung wird darin bestehen, die digitalen Angebote weiter auszubauen und gleichzeitig das Vertrauen der Versicherten zu gewinnen.

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