Warum wir dringend qualitätsgesicherte Exzellenzzentren brauchen – Faktencheck von Dr. Lara Maier

Dr. med. Lara Maier

Frau Dr. Dilek Gürsoy ist eine deutsche Herzchirurgin und seit dieser Woche „Ärztin des Jahres 2019“. In unserer 8. Podcastepisode spricht sie sich unter anderem für stärkere Qualitätssicherung von medizinischen Zentren aus. Hintergrund dieser Idee ist, Fachexpertise zu bündeln und Patienten qualitätsgesicherte Versorgung zukommen zu lassen. In anderen medizinischen Fachdisziplinen, oder in Ländern wie zum Beispiel Dänemark , gibt es dieses Modell der qualitätsgesicherte Exzellenzzentren schon. Und es hat Erfolg.

Nicht nur sie, sondern viele Gesundheitsökonomen und Ärzte konstatieren, dass Deutschland unter zu vielen Kliniken leidet, deren Expertise in den Fachgebieten aufgrund zu geringer Fallzahlen oft mangelhaft ist. Deutschland setzt zur Zeit noch auf eine ortsnahe Versorgung mit rund 2.000 Kliniken über das Land verteilt. Nimmt man das Beispiel des bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalens, das auch Dr. Gürsoy im Podcast anbringt, dann sieht man im Bundesland 344 Klinken für 17,9 Millionen Einwohner. In 17 dieser Klinken wird Herzchirurgie betrieben, in sieben darf transplantiert werden – bei gefährlich geringen Fallzahlen.

Qualität rettet Leben

Auch hier hat sich in anderen Ländern gezeigt, dass der Grundsatz ‘Qualität vor Quantität’ Leben rettet und hilft, medizinische Qualitätsstandards zu implementieren. Dänemark hat den Schritt der Zentralisierung schon vor über 10 Jahren gewagt. Seit 2007 wurde das Gesundheitssystem dramatisch umgebaut, effektiver gestaltet und bietet nun mit „Superkrankenhäusern“ auf das Land verteilt Exzellenzinseln an. Diese Kliniken versorgen jeweils bis zu 300.000 Patienten. Zusätzlich setzen sie auf E-Health Lösungen, Telemedizin und verkürzte Krankenhausaufenthalte bei dringend indizierten Operationen. Würde die deutsche Kliniklandschaft vergleichbar verschlankt, so reduzierten sich die Anzahl der Krankenhäuser von 1.300 auf circa 330 (Zitat Prof. Reinhard Busse, Fachgebiet Management Gesundheitswesen an der TU Berlin). 

Die hochspezialisierte Behandlung, die in den „Superkrankenhäusern“ gewährleistet wird, rettet nachweisliche Leben. Trotz längerem Anfahrtsweg beträgt die Überlebensrate bei Herzinfarkten über 97%. Zum Vergleich: mit 8,7%  der Herzinfarktpatienten versterben in Deutschland signifikant mehr Menschen. Eine Klinik in Deutschland muss im Schnitt nur 50.000 Einwohner versorgen. Um damit wirtschaftlich zu sein, müssen diese Kliniken umso mehr operieren. Im Vergleich zu unseren nordischen Nachbarn werden bei uns doppelt bis viermal (!) so viele Stents, Hüften und Bypässe eingesetzt. Doch „viel“ hilft eben nicht immer viel. Denn ob diese Eingriffe korrekt indiziert sind, bleibt fragwürdig – bei entsprechend hohen peri- und postoperativen Komplikationen.

Onkologie macht es vor

In der Onkologie wurde in Deutschland mit zertifizierten Brustzentren bereits ein Schritt in die richtige Richtung gemacht, um qualitätsgesicherte Medizin zu gewährleisten. Ein „Brustzentrum“ darf sich nur mit diesem Titel bezeichnen, wenn es eine Mindestanzahl an Diagnoseverfahren, bestimmten operativen Eingriffen und anderen Therapien pro Jahr anbietet. So wird ein Qualitätsstandard gesichert, der bei Krebsdiagnosen essentiell für eine Mortalitätsreduzierung ist. Jede sechste Frau in Deutschland erkrankt statistisch gesehen innerhalb ihres Lebens an Brustkrebs. Und jede dieser betroffenen Frauen sollte sich für ein solches Zentrum entscheiden, um die bestmögliche Therapie zu bekommen. Das gleiche sollte für jede Erkrankung möglich sein.

Die großen Zentren mit enormer Fachexpertise glänzen dazu mit hohen Patientenkennzahlen, einer guten Lehre für heranwachsende Assistenzärzte und voll belegten Betten – die Zahlen stimmen also auch. Eine Verschlankung der deutschen Kliniken würde nicht nur bessere therapeutische Standards sichern, die letztlich über den Therapieerfolg und das Überleben der Patienten entscheiden können, sondern auch den Innovationsdruck digitaler Lösungen vorantreiben. Denn bei weniger, dafür exzellenten Krankenhäusern würde auch der ambulante und Telemedizinsektor gestärkt, bei besserer Rendite und stabilen schwarzen Zahlen. 

Quellen zu qualitätsgesicherte Exzellenzzentren: Bertelsmann Stiftung „Der digitale Patient“, Handelsblatt “viel hilft nicht viel” und weitere, Wikipedia divers, Deutscher Herzbericht 2016, Statistisches Bundesamt

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