Epigenetik und Systembiologie: Peter Spork über ein neues, ganzheitliches Verständnis von Gesundheit

Epigenetik und Systembiologie: Peter Spork über ein neues, ganzheitliches Verständnis von Gesundheit

In dieser Folge des „Visionäre der Gesundheit“-Podcasts spricht Inga Bergen mit Dr. Peter Spork, einem führenden Wissenschaftsjournalisten und Epigenetik-Experten. Gemeinsam diskutieren sie über das transformative Potenzial der Epigenetik und Systembiologie. Die Episode beleuchtet, wie diese Forschungsfelder unsere Sicht auf Gesundheit grundlegend verändern könnten.

Was ist Epigenetik?

Die Epigenetik beschäftigt sich mit der Frage, wie Umweltfaktoren wie Ernährung, Stress und Lebensstil unsere Gene beeinflussen, ohne die DNA-Sequenz selbst zu verändern. Spork beschreibt Epigenetik als eine Art „Zusatzcode“ zur Genetik, der steuert, welche Gene ein- oder ausgeschaltet werden. Dieser Zusatzcode sorgt dafür, dass jede Zelle unterschiedliche Aufgaben erfüllen kann, auch wenn alle Zellen die gleiche DNA haben. Der Clou: Diese epigenetischen Veränderungen können auch von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Die Rolle des Lebensstils: Während die Genetik oft als festgelegt betrachtet wird, zeigt die Epigenetik, dass unsere Lebensweise – wie Sport, Ernährung oder Schlafgewohnheiten – eine entscheidende Rolle für die Gesundheit spielt. „Die Epigenetik“, erklärt Spork, „ist das Bindeglied zwischen unseren Genen und der Umwelt“. Durch gezielte Lebensstiländerungen können wir aktiv auf diese Strukturen einwirken und so die Entstehung von Krankheiten beeinflussen.

Vom genetischen Determinismus zur Ganzheitlichkeit

Genetik und ihre Grenzen: In den 1990er Jahren hoffte die Wissenschaft, durch das Verständnis des Genoms eine Lösung für viele Krankheiten zu finden. Doch komplexe Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ließen sich nicht allein auf Gene zurückführen. Spork erklärt, dass die Epigenetik uns zeigt, warum eineiige Zwillinge, die die gleichen Gene teilen, dennoch unterschiedliche Gesundheitsverläufe haben können.

Ganzheitlicher Ansatz für Gesundheit: Die Epigenetik erlaubt es, Krankheiten und Gesundheit nicht mehr isoliert zu betrachten, sondern als Zusammenspiel vieler Faktoren. Spork betont, dass die Epigenetik keine „Anti-Genetik“ ist, sondern eng mit der Genetik zusammenarbeitet. Krankheiten entstehen oft nicht durch ein einzelnes mutiertes Gen, sondern durch das komplexe Zusammenspiel von Genen, die auf vielfältige Weise durch Umwelteinflüsse beeinflusst werden.

Systembiologie: Der nächste Schritt in der Forschung

Was ist Systembiologie? Systembiologie untersucht die Gesamtheit biologischer Netzwerke und wie sie miteinander interagieren. Anstatt einzelne Gene isoliert zu betrachten, geht die Systembiologie einen Schritt weiter und analysiert, wie Tausende von Genen und deren Produkte in einem Netzwerk zusammenwirken. Diese Herangehensweise ermöglicht ein tieferes Verständnis, wie komplexe Krankheiten entstehen und wie der Körper auf Umwelteinflüsse reagiert.

Beispiel Bewegung und Zellveränderung: Durch Sport verändern sich in den Muskelzellen tausende epigenetische Strukturen. Die Systembiologie kann diese Veränderungen erfassen und analysieren. Sie zeigt, dass nicht nur ein einzelnes Gen auf Bewegung reagiert, sondern viele Gene gleichzeitig aktiviert werden. Dieser systemische Ansatz hilft zu verstehen, wie der Körper sich anpasst und wie Gesundheit als ganzheitlicher Prozess gefördert werden kann.

Gesundheit als dynamischer Prozess

Gesundheit als Anpassungsfähigkeit: Spork erläutert, dass Gesundheit kein statischer Zustand ist, sondern ein dynamischer Prozess, den jeder Mensch täglich beeinflussen kann. Die französische Philosophie beschreibt Gesundheit als die „Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen“. Das bedeutet, dass Gesundheit durch die Summe der täglichen Entscheidungen gefördert oder beeinträchtigt wird. Peter Spork sieht Prävention daher als eine proaktive und individuelle Herangehensweise, die Gesundheit langfristig stabilisiert.

Digitale Zwillinge – Gesundheit der Zukunft: Eine spannende Vision der Gesundheitsvorsorge ist der „digitale Zwilling“ – eine virtuelle Kopie des Menschen, die aus einer Fülle an Gesundheitsdaten besteht. Diese Technologie könnte in der Zukunft personalisierte Gesundheitsratschläge geben und Krankheiten bereits auf zellulärer Ebene erkennen, bevor sie sich manifestieren. Auch wenn die Forschung hierzu noch am Anfang steht, gibt es bereits digitale Zwillinge im Sport, die Leistung optimieren. Spork sieht großes Potenzial, diese Methode auf die Gesundheitsvorsorge anzuwenden.

Die ethischen Herausforderungen der datenbasierten Gesundheitsversorgung

Nutzung von Gesundheitsdaten: Die Erhebung und Analyse von Gesundheitsdaten, etwa durch Wearables, ermöglicht es zunehmend, personalisierte und präventive Maßnahmen zu entwickeln. Doch diese Fortschritte werfen auch ethische Fragen auf. Spork warnt, dass die Nutzung von Gesundheitsdaten transparent und zugänglich für alle gestaltet sein muss, um soziale Ungleichheiten zu vermeiden. Eine gerecht organisierte Gesundheitsversorgung sollte sicherstellen, dass moderne Präventionsmethoden jedem zugutekommen können und nicht nur einer privilegierten Elite.

Transparenz und Autonomie: Die Frage, wer Zugriff auf unsere Daten hat und wie diese genutzt werden, ist zentral. Ein ethischer Umgang mit Gesundheitsdaten könnte eine Zukunft ermöglichen, in der jeder Mensch das Recht hat, über seine Daten zu verfügen und selbst zu bestimmen, welche Gesundheitsziele er verfolgt. Hier betont Spork die Notwendigkeit, gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine gerechte und transparente Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

Den Newsletter von Dr. Peter Spork gibt es hier und die Bücher hier (https://www.peter-spork.de/4-0-Buecher.html)zu lesen. 

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